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Certain Iranian (Frozen) Assets

Der widersprüchliche Umgang des IGH mit der iranischen Zentralbank

17.04.2023

Mit seinem jüngsten Urteil im Streit zwischen dem Iran und den USA hat der Internationale Gerichtshof (IGH) dem Iran unter Heranziehung einer widersprüchlichen Maßstabsbildung den Zugang zu eingefrorenen Zentralbank-Vermögen versperrt. Die Konsequenzen werden im Iran deutlich zu spüren sein. Immerhin sind Vermögenswerte in Höhe von rund 1,8 Mrd. US-Dollar betroffen.

Treaty of Amity

Der IGH hat dem immerwährenden (Rechts-)Konflikt zwischen dem Iran und den USA einen weiteren Meilenstein hinzugefügt. Nachdem in Certain Iranian Assets (Islamic Rebulic of Iran v. United States of America) bereits 2019 ein Urteil zu den preliminary objections ergangen war, erließ der IGH am 30. März 2023 nun das lang ersehnte Urteil zu den merits.

Dem Rechtsstreit geht eine lange Historie voraus – der IGH alleine hat bisher zwei Fälle zwischen den USA und dem Iran entschieden (siehe hier und hier), während ein Verfahren eingestellt wurde und ein weiteres anhängig ist.

Im vorliegenden Fall wurde über diverse US-Maßnahmen legislativer, judikativer und exekutiver Natur gestritten, die – so die Argumentation des Iran – gegen eine ganze Reihe von Vertragsvorschriften des Treaty of Amity, Economic Relations, and Consular Rights (TAERC) verstoßen. Die in Rede stehenden Vorschriften betreffen eine bunte Palette unterschiedlicher Vertragsnormen, wie sie regelmäßig in bilateralen Freundschafts- und Handelsabkommen zu finden sind: Sie reichen von der Anerkennung der Rechtspersönlichkeit natürlicher oder juristischer Personen (Art. III, Abs. 1 & Art. IV, Abs. 1 TAERC) über die Frage des Zugangs zu Gerichten der jeweils anderen Vertragspartei (Art. III Abs. 2 TAERC), den Schutz von Eigentumsrechten im Allgemeinen und vor Enteignungen im Besonderen (Art. IV Abs. 2 TAERC) bis hin zur Verfügungsfreiheit eigener Staatsangehöriger über ihr Eigentum oder die allgemeine Handelsfreiheit (Art. V Abs. 1 (c) Treaty bzw. Art. X, Art. XI TAERC).

Während jede im Urteil behandelte Vertragsverletzung für sich genommen interessante Fragen aufwirft, ist insbesondere der Umgang des IGH mit der iranischen Zentralbank Bank Markazi bemerkenswert.

Sanktionen gegen Zentralbanken

Es ist mittlerweile gängige Praxis, dass sich unilaterale Sanktionen zielgerichtet gegen das im Ausland befindliche Vermögen von Zentralbanken richten. Als prominente und relativ aktuelle Beispiele können hier die US-Sanktionen gegen Venezuela oder Afghanistan angeführt werden, ebenso wie die von einer breiten Staatenpraxis mitgetragenen Sanktionen gegen die russische Zentralbank. Um dem Sanktionszweck möglichst viel Nachdruck und Effektivität zu verleihen, setzen Sanktionen gegen Zentralbanken i.d.R. auf asset freezing: Ihr ausländisches Vermögen wird eingefroren, also für die Zentralbank unzugänglich gemacht.

Dasselbe geschah 2012 mit Vermögenswerten der Bank Markazi, die mit Executive Order 13599 eingefroren wurden, soweit sie auf US-Territorium belegen waren oder aber „within the possession or control of any United States person, including any foreign branch.“ Darüber hinaus wurde das eingefrorene Vermögen zu Wiedergutmachungszahlungen im Fall Peterson vor dem US Supreme Court freigegeben (vgl dazu hier).

Bank Markazi sah sich infolge der US-Maßnahmen demnach nicht nur einer temporären Vermögenseinfrierung, sondern darüber hinaus der Vollstreckung in ihre Vermögenswerte ausgesetzt.

Als Organ des Staates kommt Zentralbanken vor ausländischen Gerichten grundsätzlich umfassender Schutz im Rahmen der Staatenimmunität zu. Dem steht im vorliegenden Fall der US-amerikanische Foreign Sovereign Immunities Act entgegen; danach kann Staaten, die als „State Sponsor of Terrorism“ designiert werden, die Immunität (und damit die Immunität ihrer Organe) vor US-Gerichten im Erkenntnisverfahren entzogen werden. Ebenso sind Ausnahmen von der Vollstreckungsimmunität vorgesehen.

Certain Iranian Assets: preliminary objections (2019)

Der IGH stellte 2019 in seiner Entscheidung über die preliminary objections fest, dass das völkergewohnheitsrechtliche Immunitätsrecht nicht streitgegenständlich sei und auch nicht über Art. IV Abs. 2 TAERC in den Vertrag inkorporiert werde (§§ 53-58). Die kompromissarische Klausel, Art. XXI Abs. 2 TAERC, sei nur auf spezifische Vertragsverletzungen gerichtet und der IGH für Fragen des Immunitätsrechts demnach nicht zuständig.

Der einzigmögliche Schutz, der Bank Markazi danach im vorliegenden Streit zugutekommen konnte, war jener aus Art. III, IV, V TAERC – vorausgesetzt, es handelte sich bei Bank Markazi um eine „company“ i.S.d. dieser Artikel.

Im Mittelpunkt stand mithin die simple Vertragsauslegung des Begriffs „company“ (vgl. § 89 f.). Dabei wies der IGH das Argument des Iran zurück, es komme für die Einordnung nicht auf die Natur der Aktivitäten bzw. „acts of sovereignty or public authority“ an (§ 90). Unter Bezugnahme auf Sinn und Zweck des Vertrages stellte der Gerichtshof fest, dass es zentral um die kommerzielle Natur der Aktivitäten gehe, wobei von einem weiten Verständnis auszugehen sei. Solange exklusiv souveräne Aktivitäten durchgeführt würden, die mit souveränen Funktionen des Staates verknüpft seien, könne nicht von einer „company“ gesprochen werden (§ 91). Trotzdem sei es einer Entität grundsätzlich möglich, sowohl Aktivitäten souveräner als auch kommerzieller Natur nachzugehen (§ 92). Bezeichnend ist in dieser Hinsicht der folgende Definitionsansatz des IGH:

The legal person in question should be regarded as a ‘company’ within the meaning of the Treaty to the extent that it is engaged in activities of a commercial nature, even if they do not constitute its principal activites.” (§ 92).

Unter dem Hinweis auf fehlende Informationen über die tatsächlichen Aktivitäten der Bank Markazi wurde die Entscheidung über ihre Charakterisierung jedoch in das Urteil über die merits verschoben (§ 97).

Certain Iranian Assets: merits (2023)

Das Urteil zur Sache befasst sich direkt eingangs mit der Frage der Zuständigkeit ratione materiae.

Der IGH stellt fest, dass es sich bei den Aktivitäten der Bank Markazi (es handelte sich dabei um nach iranischem Recht steuerpflichtige und profitable Investitionen im US-Finanzsektor, vgl. § 37) nicht um Aktivitäten mit kommerziellem Charakter handele (§ 50) und die Bank demnach keine „company“ sei (§ 54). Zur Begründung zieht er – anders als 2019 – den Zweck der Hauptaktivitäten heran, der ausschließlich in der Erfüllung souveräner Aufgaben läge. Eine Beschränkung auf die Aktivitäten als solche finde nicht statt; vielmehr seien auch die Funktionen, die mir der Aktivität in irgendeiner Art verknüpft seien, im Einzelfall unter Beachtung des Gesamtzusammenhangs zu berücksichtigen (§ 51). Ihm fehle demzufolge die Zuständigkeit, über das eingefrorene Vermögen der Bank Markazi zu entscheiden.

Bewertung

Die Separate bzw. Dissenting Opinions der Richter Bennouna, Yusuf, Robinson, Salam und Momtaz kritisieren in erster Linie die augenscheinlichen Widersprüche zwischen den beiden Entscheidungen im Hinblick auf die Bank Markazi.

In der Tat ist die Entscheidung der Richter:innenmehrheit fragwürdig.

Auffällig ist zunächst der Bezugspunkt der Vertragsauslegung. In der Entscheidung über die preliminary objections wurde ausdrücklich von einem weiten Begriffsverständnis der „kommerziellen Aktivitäten“ ausgegangen. Eine Abgrenzung erfolgte 2019 einerseits negativ, nämlich über die „exklusiv souveränen Aktivitäten“ und eine „Verknüpfung mit souveränen Funktionen“, andererseits positiv über den oben genannten Definitionsansatz, der explizit nur die Natur der Aktivitäten in Bezug nimmt. Entscheidend ist nach diesem Verständnis also nicht, dass die Entität überhaupt exklusiv souveräne Aktivitäten ausführt oder diese mit souveränen Funktionen verknüpft sind, sondern vielmehr, dass die fragliche Aktivität ihrer Art nach kommerzieller Natur ist.

Eine Einordnung unter dem naturorientierten Ansatz ist auch sinnvoll: Art. III Abs. 1 TAERC enthält eine Legaldefinition des Begriffs „company“; danach spielt die rechtliche Ausgestaltung oder die Gewinnerzielungsabsicht keine Rolle. Es existiert innerhalb des Vertragsregimes demnach schon kein rein funktionales Begriffsverständnis. Im Vordergrund steht, wie der IGH schon 2019 richtig erkannt hat, die kommerzielle Betätigung der Entitäten, denen die Rechte aus Art. III, IV, V, VI TAERC zukommen sollen.

Demgegenüber spielt die Natur der Aktivitäten im Urteil vom 30.03.2023 wenn überhaupt nur noch eine untergeordnete Rolle und kann offenbar mit Leichtigkeit von der Funktion der agierenden Entität übertrumpft werden. Diese Kehrtwende des IGH erweckt den Anschein, als sei die Natur der problematischen Aktivität im Einzelfall nicht mehr relevant und die Einordnung der Bank Markazi durch ihre Haupttätigkeit – im Widerspruch zum Urteil in den preliminary objections – in gewisser Weise vorgezeichnet. Denn welche Aktivitäten einer Zentralbank nach diesen Maßstäben nicht der hoheitlichen Aufgabenerfüllung unterfallen und mithin den Schutz aus Art. III, IV, V TAERC auszulösen vermögen, bleibt offen.

Der IGH hält folglich an seiner im Urteil von 2019 geschaffenen (weiten) Vertragsauslegung nicht mehr fest; vielmehr schafft er ein neues Kriterium, um die Subsumtion unter den Begriff der „company“ durchzuführen. Die Bewertung der Aktivität als solche wird dadurch aber überflüssig.

Es stellt sich weiterhin die Frage, welche Implikationen die unterschiedlichen Ansätze des IGH im Hinblick auf den Begriff der „company“ für das Recht der Staatenimmunität haben. Zwar schließt der IGH eine Beschäftigung mit dieser Rechtsmaterie explizit aus (s.o.). Trotzdem ist eine Parallele zu erkennen, bedient er sich bei der Einordnung der Aktivitäten doch an Differenzierungsgrundsätzen, die zu immunitätsrechtlichen Einordnungen geschaffen wurden. Eine Unterscheidung zwischen nicht-souveränen, meist kommerziellen Aktivitäten (acta iure gestionis) bzw. souveränen Aktivitäten (acta iure imperii) hat der IGH bereits 2012 in Jurisdicitonal Immuninites anerkannt (§§ 60, 118, 119). Auch die UN Convention on Jurisdicitonal Immunities of States and Their Property (UNCIS) differenziert zwischen kommerziellen und souveränen Aktivitäten (vgl. Art. 19 (c), Art. 10, Art. 2 Abs. 1 (b) (ii) UNCIS). Insbesondere Art. 21 Abs. 1 (c) UNCIS statuiert eine Vermutung für die souveräne Funktion von Zentralbank-Vermögen. Unter diesen Gesichtspunkten ist eine funktionsorientierte Betrachtung der Aktivitäten einer Zentralbank und folglich ihre Charakterisierung als hoheitlichen Aufgaben dienend nicht überraschend. Der IGH wollte sich anscheinend auch innerhalb eines in sich geschlossenen Vertragsregimes nicht in einen Widerspruch mit zum Immunitätsrecht etablierten Grundsätzen verstricken, obwohl die immunitätsrechtlichen Fragen aus dem Rahmen der Bewertung fallen sollten.

Die zweigleisige Annäherung des IGH entbehrt letztendlich nicht einer gewissen Ironie. Zum einen hätte eine Charakterisierung bereits 2019 erfolgen können; zumindest aber hätte bei der Maßstabsbildung in den preliminary objections eine eindeutigere Orientierung an Natur oder Funktion der Aktivitäten stattfinden können. Zum anderen wird durch die Einstufung der Aktivitäten als hoheitlichen Zwecken dienend ein rechtspolitisch bedenkliches Ergebnis erzielt: Sowohl im Hinblick auf Erkenntnis- als auch Vollstreckungsverfahren soll bei Akten de iure imperii ein umfassender Immunitätsschutz gewährleistet werden. Durch den Vorrang der Zweckrichtung wird eine Schutzgewährleistung innerhalb des Vertragsregimes des TAERC jedoch in sein Gegenteil verkehrt. Die Bank Markazi kann sich infolge der kompromissarischen Klausel somit der sie betreffenden Maßnahmen nicht erwehren – obwohl ihr unter immunitätsrechtlichen Aspekten ein umfassenderer Schutz zugutekommen würde. Bei Anwendung des 2019 entwickelten Maßstabs hätte ein eine solche Situation vermieden werden können.

Autor/in
Moritz Rhades

Moritz Rhades is a doctoral candidate and research associate at the Walther Schücking Institute for International Law. His research focuses on general international law.

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Tags
ICJ, Iran, Sanctions, USA
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1 Kommentar
  1. Vielen Dank für die hilfreiche Einordnung! Mir leuchtet die Entscheidung allerdings ein. Im Zentralbankbereich ist die Grenze zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Aktivitäten immer fluide; es ist ja definitionsgemäß die hoheitliche Tätigkeit des Staats im Hinblick auf das Geld als kommerzielles Instrument. Der Immunitätsschutz würde untergraben, würde man hier zu einfach auf eine kommerzielle Aktivität erkennen. “Natur der Aktivität” ist naturgemäß schwammig. Daher ziehen es viele Gerichte vor, bei Zentralbanken im Zweifel von hoheitlicher Tätigkeit auszugehen, so etwa die dt. Rechtsprechung und auch die US-Gerichte in den auf Vollstreckung in das Zentralbankvermögen gerichteten Staatsschuldenfällen. Kann sein, dass der IGH 2019 nicht ganz auf dem Schirm hatte, in welches schwierige Fahrwasser er sich mit dieser anhand eines Einzelfalls getroffenen Entscheidung begab. Das scheint den Richter:innen nun angesichts der Fälle Afghanistan und Russland gedräut zu haben. Ich finde das gut; die Frage ist dann, ob es Immunitätsausnahmen wegen gravierenden Völkerrechtsverstößen geben kann. Das wäre der Arrest Warrant Case reloaded.

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