Dana Schmalz und Michael Riegner (für die Redaktion des Völkerrechtsblogs)
Hier ist er, der neue Völkerrechtsblog. Noch erinnert er an den Blick auf einen gedeckten Tisch in Erwartung einer großen Feier. Die ersten geladenen Gäste trudeln ein, und die Tür steht allen offen, die kommen wollen. Wie werden sich die Gäste verstehen? Welche Köstlichkeiten werden sie mitbringen? Werden die Unterhaltungen angeregt und die Gespräche amüsant sein? Eine Feier kann man planen, aber ihr gutes Gelingen hängt von den Gästen ab. Dieser erste Beitrag ist daher Einladungskarte und Veranstaltungsprogramm, und beantwortet Fragen der Gäste: Wie wollen wir miteinander feiern, und was unterscheidet diese Feier von anderen? Wer ist der Gastgeber, und welche Rolle spielt er? Was wird das Thema der ersten Tischgespräche sein?
Noch ein Blog? – Das etwas andere Menu
Der Völkerrechtsblog ist nicht das erste Projekt seiner Art. Mit dem Internet wandelt sich die Wissenschaftskommunikation, und auch in der Rechtswissenschaft ergänzt das Bloggen zunehmend etablierte Publikationsformen. Das Völkerrecht 2.0 existiert schon: Englischsprachige Blogs wie EJIL Talk! oder Opinio Juris sind wichtige Medien des internationalen Völkerrechtsdiskurses geworden, und in Deutschland debattieren Öffentlich-Rechtler auf dem Verfassungsblog oder Juwiss (siehe auch unsere Linkliste). Was macht also das Menu des neuen Völkerrechtsblogs aus und unterscheidet es von den Feiern, die schon voll in Schwung sind? Wir haben drei Merkmale im Sinn: Perspektive, Format und ein Mix aus Neuem und Bewährtem.
Der Völkerrechtsblog bietet einen eigenen Ort für völkerrechtliche Perspektiven vor allem aus dem deutschsprachigen Raum. Er soll Eigenstand und Eigenart der Völkerrechtswissenschaft im deutschsprachigen Raum ausdrücken – und sie zugleich ins Gespräch bringen: Mit anderen Rechtsdisziplinen, mit Nachbarwissenschaften, und mit dem internationalen Diskurs. Zu diesem Ins-Gespräch-kommen eignet sich das grenzenlose Medium Internet ohnehin, und ist umso wichtiger für eine Wissenschaft mit globalem Gegenstand. Diese eigenständige und zugleich offene Perspektive unterscheidet den Völkerrechtsblog sowohl von englischsprachigen Völkerrechtssites als auch von deutschsprachigen öffentlich-rechtlichen Blogs.
Das zweite, besondere Menu-Merkmal ist das dialogische Format des Völkerrechtsblogs. Dieses Format soll die Stärken des Bloggens als neuer Form der Wissenschaftskommunikation ausnutzen – denn was kann der Blog, was klassische Monografien und Aufsätze nicht (so gut) können? Das Bloggen erleichtert vor allem den unmittelbaren Austausch von These und Gegenthese, von Argumenten und Gegenargumenten. Das Markenzeichen des Völkerrechtsblogs ist daher das Format von direkter Rede und Gegenrede: Wir laden unsere AutorInnen besonders ein, in ihrem Beitrag eine klare These zu vertreten und zu untermauern, und andere, darauf eine Replik mit Gegenthese und/oder Gegenargumenten folgen zu lassen. Denn die besten Tischgespräche sind meist jene, bei denen man in höflicher und anregender Weise unterschiedlicher Meinung ist. Zweck dieser Gespräche ist nicht Kritik zu üben, sondern thematisch verwandte AutorInnen zusammenzubringen, Argumente auszutauschen, Perspektiven zu variieren, und gemeinsam am wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt zu arbeiten. Der Völkerrechtsblog hat dieses Format von Beitrag und Replik also zum Markenzeichen – ist aber gleichwohl offen für Variationen und andere Beitragsformen (siehe dazu unsere AutorInnenhinweise).
Drittens kombiniert das Völkerrechtsblog-Menu die Stärken neuer Medien mit bewährten Elementen klassischer Rechtswissenschaft: Der Blog ermöglicht schnelle Reaktionen auf aktuelle Entwicklungen und öffnet einen virtuellen Raum jenseits traditioneller Institutionen und Hierarchien. Zugleich sichert er das wissenschaftliche Profil des Blogs und fachliches Feedback für Autoren durch ein schlankes peer review Verfahren, das eine weitere Reflexionsstufe bietet und getragen wird von einem wissenschaftlichen Beirat im Rahmen des Arbeitskreises junger VölkerrechtlerInnen. An diesen nicht-virtuellen Zusammenschluss ist unser virtuelles Projekt auch insgesamt angebunden. Es gründet sich damit solide auf einem Kreis von KollegInnen, die sich persönlich kennen, an Lehrstühlen arbeiten, auf Konferenzen treffen, in Fachzeitschriften zusammenarbeiten und so die Rückbindung des Völkerrechtsblogs an klassische Formen und etablierte Vertreter der Völkerrechtswissenschaft sicherstellen.
Der Gastgeber – der Arbeitskreis junger VölkerrechtlerInnen
Der Arbeitskreis junger VölkerrechtlerInnen (AjV) versteht sich als Gastgeber des Völkerrechtsblogs. Der AjV ist ein wachsender Zusammenschluss von Promovierenden und Habilitierenden aus dem Völkerrecht und seinen Nachbarwissenschaften mit Basis in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er ist aus jährlichen Workshops hervorgegangen und zunehmend aktiv in anderen Konferenzen und Kooperationen (siehe unter der Kategorie Service). Seit 2009 betreibt der AjV einen elektronischen Newsletter und eine interne Website. Beides geht nach einem sorgfältigen Diskussionsprozess im AjV (und darüber hinaus) nun im Völkerrechtsblog auf. Fester Bestandteil des Völkerrechtsblogs ist daher schon jetzt die Kategorie „Service“, die monatlich über Veranstaltungen, Stellen und Call for Papers informiert. Aus dem AjV rekrutiert sich auch die Redaktion des Völkerrechtsblogs, die den Blog betreibt und inhaltliche Impulse setzt. Der wissenschaftliche Beirat vereint fortgeschrittene AjV-Mitglieder, an internationalen Universitäten lehrende VölkerrechtlerInnen, und Blog-Erfahrene, die unser Kooperationsverhältnis zu Verfassungs- und Juwiss-Blog pflegen.
Als Gastgeber möchte der AjV selbst für gute Konversation sorgen und der jungen Generation von NachwuchsvölkerrechtlerInnen eine eigene Plattform bieten. Die Mitglieder des AjV haben nach 1990 studiert, sind also akademisch sozialisiert in einer Welt ohne einfaches Freund-Feind-Schema, in der das Völkerrecht an Bedeutung zunimmt und zugleich Rückschläge erleidet, in der sozialer und technologischer Wandel das Völkerrecht und seine Wissenschaft immer neu herausfordern – wofür das Internet vielleicht wiederum das prominenteste Beispiel ist. Der Völkerrechtsblog spiegelt wieder, wie sich diese Generation neugierig den Herausforderungen stellt, wie sie Standpunkte findet, Meinungen ausdifferenziert, neue Themen entdeckt und ungewöhnlichen Argumentationen nachgeht.
Zugleich hält ein guter Gastgeber das Gespräch offen für andere. Die Tür steht weit offen und jeder mit Interesse am Völkerrecht ist herzlich eingeladen das Wort zu ergreifen. Blogposts von etablierten VölkerrechtlerInnen, NachbarwissenschaftlerInnen, PraktikerInnen und AutorInnen aller Welt sind jederzeit willkommen! Wir hoffen auf deutsch- wie englischsprachige Beiträge, und besonders auf transdisziplinäre und internationale Gespräche über unseren gemeinsamen Forschungsgegenstand. Critical international law, gender studies, law in context – je vielfältiger, desto besser. Schon jetzt hat die Redaktion aktiv Beiträge inner- und außerhalb des AjV und aus einem breiten thematischen und methodischen Spektrum eingeworben – und wir freuen uns auf viele weitere Gäste aus aller Welt.
Das Auftaktgespräch – Zukunft des Völkerrechts
Den Auftakt des Völkerrechtsblogs bildet ein Diskussionsschwerpunkt über die „Zukunft des Völkerrechts“ – ein Thema, das die junge Generation von VölkerrechtlerInnen besonders angeht. Anhand konkreter Streitfragen diskutieren NachwuchswissenschaftlerInnen inhaltliche, methodische und transdisziplinäre Aspekte der Zukunft des Völkerrechts und seiner Wissenschaft in ihrem spezifischen Forschungsgebiet. Wie wird sich das Völkerrecht im jeweiligen Forschungsfeld in den nächsten 30 Jahren verändern? Wie wandeln sich Völkerrechtssubjekte, Streitbeilegung, internationale Institutionen? Wie die Nord-Süd-Beziehungen, wie das Verhältnis von Geschlecht und Recht? Wie beeinflussen technologische Entwicklungen das Völkerrecht und die Kommunikation über Völkerrecht? Welche Methoden werden kommen und gehen? So bietet der Auftakt nicht nur einen Aperçu der jungen Völkerrechtswissenschaft im deutschsprachigen Raum, sondern auch Gelegenheit, Positionen herauszuarbeiten und schärfen, und zugleich das Bloggen als neue Form der Wissenschaftskommunikation zu reflektieren.
Um einen thematischen Vorgeschmack auf das reichhaltige Menu zu geben: Wir eröffnen den Völkerrechtsblog mit einem Beitrag von Matthias Kettemann zur Zukunft des Internetvölkerrechts, kommentiert von Michael Riegner. Unsere Beirätin Alexandra Kemmerer vergewissert sich in „Völkerrechtsgeschichten“ der Zukunft und Vergangenheit des Völkerrechts, kommentiert von Markus Payk und Robert Howse. Methoden und den „Turn to Principles“ adressiert Jochen Rauber, kommentiert von Matthias Goldmann. Weitere Autoren diskutieren die Zukunft des Gewaltverbots und internationaler Streitbeilegung, von Wirtschaftsvölkerrecht und internationalem Arbeitsrecht. Gastautoren aus Australien und den USA diskutieren die Dominanz der englischen Sprache im Völkerrecht, und Besuch aus Italien vollführt den Tanz der Disziplinen in „international law and dance“.
Es wird also schon einiges geboten, auf der beginnenden Völkerrechtsblog-Feier. All dies soll vor allem eines: Appetit machen auf mehr, und anregen zum Schreiben. Welche Zukunftsfragen beschäftigen euch in eurer Forschung? Wozu möchtet ihr sonst Stellung nehmen, oder replizieren? Eure Beiträge nehmen wir gerne unter ajv.kontakt@gmail.com entgegen, AutorInnenhinweise findet ihr hier. Einträge für die Kategorie „Service“ nehmen wir gerne unter ajvnewsletterredaktion@gmail.com entgegen.
Aufregend ist es, wie sich die Gespräche auf dem Völkerrechtsblog nun entwickeln werden, wie sich der Austausch gestaltet. Eine gute Feier kann man wie gesagt nicht planen. Aber man kann die richtigen Leute einladen. In diesem Sinne: Herzlich willkommen!
Dana Schmalz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max Planck Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht in Heidelberg.
Michael Riegner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Justus-Liebig-Universität Gießen und derzeit Hauser Global LLM Scholar an der NYU Law School.
Cite as: Dana Schmalz und Michael Riegner , “Völkerrecht 2.0 – es ist angerichtet”, Völkerrechtsblog, 29 April 2014, doi: 10.17176/20170104-153908.
Michael Riegner is assistant professor of international law and global administrative law at Erfurt University in Germany.
Dana Schmalz is a postdoctoral research fellow at the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, she holds a scholarship from the Alexander von Humboldt-Foundation. Her work centers on refugee and migration law, human rights, and legal philosophy. In her current research project, she is exploring how population growth has been an object of international legal activities.
Ihr kennt kein Völkerrecht ohne ein Volksrecht und kein Volksrecht ohne ein Menschenrecht.
Johann Heinrich Pestalozzi