Julius Payer, ‘Nie Zurück!’ (1892), über Wikimedia Commons (gemeinfrei durch Zeitablauf).

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Die letzte Welt: 150 Jahre Franz-Josef-Land

13.07.2023

Für die Geschichte der Entdeckung des Franz-Josef-Lands vor 150 Jahren würde auch ein anderer Romantitel von Christoph Ransmayr passen: „Die letzte Welt“. Das Franz-Josef-Land, ein Archipel von rund 200 Inseln, wurde im arktischen Spätsommer 1873 entdeckt. Seine Entdecker waren die Männer einer multinationalen k.u.k.-Nordpolexpedition. Als sie im Sommer 1872 von Bremerhaven aus nach Norden in See stachen, waren die meisten Gegenden der Erde schon bekannt, die Weltmeere befahren und ihre Küsten kartographiert. Das imperialistische Zeitalter völkerrechtlicher Besitzergreifung des völlig Unbekannten war so gut wie vorüber.

Bild von Oona Räisänen auf Wikimedia Commons (Public Domain).

Das Franz-Josef-Land aber musste erst noch gesichtet, seine Berge vermessen und seine Kaps auf den Landkarten der Polarforscher verzeichnet werden: Kap Fligely beispielsweise, der nördlichste Punkt Eurasiens. Die multinationale Besatzung ihres Schiffs, der „Admiral Tegetthoff“ hatte auf eine solche Entdeckung gar nicht mehr gehofft. Ihre Polarfahrt war durchweg von Niederlagen und Enttäuschungen gezeichnet gewesen. Diese Geschichte ist seither oft erzählt worden, niemals aber so eindrucksvoll wie vom österreichischen Schriftsteller Christoph Ransmayr in seinem ersten Roman: „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“ (SEF) erschien 1984 in kleiner Auflage und wurde erst dann einem größeren Publikum bekannt, als Ransmayr mit „Die letzte Welt“ 1988 seinen Durchbruch feierte.

Eine atemberaubende Entdeckungsgeschichte

Ransmayr hatte sich als junger Autor über Reportagen und Reisen an den Gegenstand herangetestet. Darin fand er einen ganz eigenen Ton und eine eigenwillige Perspektive. „Des Kaisers kalte Länder“, 1982 erschienen als zweiteilige Reportage, war eine erste Annäherung an jene atemberaubende Entdeckungsgeschichte der Nordpolexpedition 1872-1874. Im Sommer 2023 wird in Wien besonders intensiv daran gedacht, weil der Höhepunkt der Reise – die Entdeckung des Franz-Josef-Lands – genau 150 Jahre her ist. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erinnert an sie vom 24. Mai bis zum 14. Juli 2023 in einer kleinen Ausstellung in ihren Räumlichkeiten unter dem barocken Deckenfresko von Anton Hertzog: „Land, Land, endlich Land!“ Und auch sie hat ihre eindrucksvollsten Momente dort, wo die Fehlschläge und Zufälle anschaulich werden; sie haben epische Größe. Nicht von ungefähr erzählte schon Ransmayr „ein Drama am Ende der Welt“ (SEF, 22).

Das Schiff der Expedition geriet auf seiner Fahrt in die Arktis viel früher als gedacht in Eisfelder. Sie umschlossen es erstmals bereits Ende Juli 1872. Dann, Ende August, friert die Tegethoff dauerhaft fest. Das Eis macht jede Hoffnung, noch höhere Breitengrade zu erreichen, zunichte: Das Schiff, befehligt von Carl Weyprecht als Kommandant zur See, bleibt für immer manövrierunfähig. Der Auftrag der k.u.k.-Nordpolexpedition galt der Erkundung einer Nordostpassage, aber sie waren zugleich angetrieben von der im 19. Jahrhundert populären, aber fatalen „Theorie vom eisfreien Nordpolarmeer“. Demnach waren jenseits der ersten Eisfelder weiter nördlich freie Gewässer zu finden, und es stand die Möglichkeit im Raum, dort nicht nur neue Inseln zu entdecken, sondern womöglich auch den Pol per Schiff zu erreichen. So hatte es beispielsweise Mercator auf seiner Karte von 1595 visualisiert: eisfreie Gewässer und in der Mitte ein Magnetberg.

Gerhard Mercator, ‘Septentrionalium Terrarum descriptio’ (1595), über Wikimedia Commons (gemeinfrei durch Zeitablauf).

Die Expedition büßte diesen Irrglauben; sie überwinterte auf ihrem vom Packeis umschlossenen Segelschiff und erlebte im Frühjahr 1873 die nächste große Enttäuschung: Weil die Eisdrift sie weiter nach Norden gebracht hatte, öffnete sich auch bei ansteigenden Temperaturen im arktischen Hochsommer kein freies Meer für sie. Dass in dieser tristen Situation an einem nebelfreien Nachmittag des 30. August 1873 plötzlich eine Bergkette am Horizont erschien, war eine unverhoffte Sinnstiftung. Diese Gipfel und Länder waren nirgends auf Karten verzeichnet, und so konnte die Expedition noch ein letztes Mal und lange nach dem Zeitalter der großen Entdeckungen Rituale von kolonialer Besitzergreifung durchführen.

Eigene Narrative und Rechtsinstrumente

Die Völkerrechtsgeschichte des Franz-Josef-Land scheint noch nicht erzählt zu sein. Sie fügt sich auch nicht ohne weiteres in die üblichen Kolonialgeschichten. Im Gegenteil: Kollegen wie die in Island und Grönland arbeitende Juristin Rachael Lorna Johnstone haben mit ihren Forschungen deutlich gemacht, dass hier ganz andere Narrative und Instrumente greifen. Denn während sonst „Plantation and Possession“ im Zentrum der rechtstheoretischen Legitimation von kolonialer Besitzergreifung standen, mussten für Arktis und Antarktis andere Kategorien herhalten

Des Kaisers kalte Länder, wie hier die Rudolf-Insel des Franz-Josef-Lands, liegen unter einer Eiskappe:

Bild von der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA) über Wikimedia Commons (lizenziert unter CC BY-SA 3.0 IGO).

Franz-Josef-Land ist zu 85% vergletschert, ein Rekord unter arktischen Ländern. Genauso wie in der Antarktis war im Moment der Entdeckung an eine dauerhafte Besiedelung und Nutzung nicht zu denken. Allerdings gab es in beiden Fällen auch keine indigene Bevölkerung, mit der man um Eigentumsansprüche hätte konkurrieren müssen. Wem sollten die Länder gehören? Und sollten sie überhaupt jemandem gehören?

In der historischen k.u.k-Entdeckungsgeschichte sind Nationalität und Internationalität eng miteinander verflochten. Es handelte sich um eine multinationale Expedition, mit Männern aus Deutschland, Ungarn, Böhmen, Mähren, Italien, dem heutigen Kroatien und Südtirol, vor allem aber auch aus dem heutigen Österreich. Ihrem Selbstverständnis nach arbeiteten sie für die universelle Sache der Wissenschaft, und bis heute wird der internationale Geist der k.u.k.-Nordpolexpedition immer wieder hervorgehoben – etwa durch das Verdienst, das „Internationale Polarjahr“ als Forschungstradition angestoßen zu haben. Zugleich aber war die k.u.k-Nordpolexpedition eingebunden in nationalpatriotische und imperiale Kontexte. Als die Männer nach Monaten des Wartens – denn zunächst erlaubte das Wetter keine Wanderung zu den Bergen am Horizont – das neu entdeckte Land am 1. November 1873 erstmals betraten, vollzogen sie klassische Rituale der Besitzergreifung. Sie vermaßen die neuen Inseln und benannten die Topographie nach ihrer österreichisch-ungarischen Heimat. Der Archipel hieß von da ab Franz-Josef-Land, dort findet sich ein Kap Wiener Neustadt, die Insel Klagenfurt beim Wilczekland, ein Kap Grillparzer, ein Austria-Sund, das Kronprinz-Rudolf Land usw. Auch eine österreichisch-ungarische Flagge wurde aufgepflanzt.

Zugleich verzichteten sie interessanterweise darauf, eine juristische Besitzergreifung im Namen der Doppelmonarchie vorzunehmen. Der Kommandant zu Lande Julius von Payer schrieb retrospektiv:

„Mit stolzer Erregung pflanzten wir die Flagge Oesterreich=Ungarns zum ersten Mal im hohen Norden auf; wir hatten das Bewußtsein, sie so weit getragen zu haben, als unsere Kräfte es erlaubten. War es auch kein Act völkerrechtlicher Nothwendigkeit und fern von der Bedeutung der Besitznahme eines Landes, wie einst, wenn Albuquerque oder Van Diemen die Abzeichen ihres Vaterlandes auf fremder Erde entrollten, so hatten wir doch nicht minder schwer … dieses Stückchen kalten, starren Bodens erworben.“

Das Land blieb zunächst herrenloses Niemandsland, Österreich-Ungarn erstrebte keine Gebietshoheit. Dieser Verzicht hinderte aber nicht die öffentliche Wahrnehmung in der Heimat, sich mit imperialer und kolonialer Begeisterung auf die Erträge dieser Expedition und die Rückkehrer zu stürzen. Ihr Weg zurück nach Europa allerdings war ein Schmerzensweg. Einen weiteren Polarwinter verbrachten sie im Bauch ihres Schiffes, bedrängt von gefährlichen Eispressungen, die es zermalmen wollen, in katastrophaler mentaler und körperlicher Verfassung, bevor sie dieses im darauffolgenden Mai 1874 zurückließen. Der aberwitzige Plan: Zu Fuß so lange über das Eis zu gehen, bis man wieder offenes Meer erreichen würde und die drei mitgeführten, schwerbeladenen Walfängerboote sie weiter nach Süden bringen könnten. Die Strapazen waren unermesslich, aber das Unternehmen gelingt. Daheim würde der Kommandant an Land, Julius Payer, effektvolle Gemälde entwerfen, die das Drama der Reise verewigten. Das Verlassen des Schiffs Richtung Süden war als religiös-emotionale Klimax inszeniert: „Niemals zurück!“

Julius Payer, ‘Nie Zurück!’ (1892), über Wikimedia Commons (gemeinfrei durch Zeitablauf).

Bei Nowaja Semlja begegnen sie mit unglaublichem Glück zwei russischen Transchonern, die die zerlumpten Männer am Abend des 24. August 1874 aufnehmen. Der Empfang besonders in Wien wird triumphal. Rückblickend lässt sich jedenfalls die Rezeption dieser Entdeckung als eine Form von österreichischem Polarkolonialismus lesen.

Rechtfertigung sowjetischer Aneignung: Sektorentheorie und juristische Bricolage

Eine tatsächliche juristische Aneignung des bisherigen Niemandslands vollzog dann die Sowjetunion in der Zwischenkriegszeit. Am 15. April 1926 hieß es seitens der Regierung in einem Dekret, adopted by the Presidium of the Central Executive Committee:

“Are declared forming parts of the territory of the Union of Soviet Socialistic Republics all lands and islands already discovered, as well as those which are to be discovered in the future, which at the time of the moment of the publication of the present decree are not recognized by the Union of Soviet Socialistic Republics as the territory of any foreign state, and which lie in the Northern Frozen Ocean north of the coast of the Union of Soviet Socialistic Republics up to the North Pole, within the limits between the meridian longitude 32° 4’ 35’’ east of Greenwich … and the meridian longitude 168° 49’ 30’’, west of Greenwich …“.

Die Sowjetunion informierte auswärtige Mächte, darunter Norwegen, über dieses Dekret. Daraufhin erklärte der norwegische Außenminister, die im sogenannten „russischen Sektor“ liegenden Gebiete würden von Norwegen weiterhin als Niemandsland angesehen.

Die sogenannte Sektortheorie war 1907 von dem kanadischen Senator Pascal Poirier als juristisches Argument entwickelt worden, um eigene arktische Landnahmen zu rechtfertigen bzw. jedenfalls fremde Ansprüche abzuwehren. Der Kieler Völkerrechtler Viktor Böhmert definierte Jahrzehnte später in einem Lexikoneintrag: „Nach dem Sektorenprinzip sollen die Land- und Meeresgebiete in Polnähe innerhalb eines sphärischen Dreiecks, dessen Ecken der Nord- oder Südpol sowie die östlichen und westlichen Punkte der Festlandsküsten der am weitesten nördlich oder südlich gelegenen Staaten bilden, ipso facto der Gebietshoheit oder wenigstens dem Aneignungsrecht dieser Staaten unterliegen.“ (Viktor Böhmert, Art. Sektorentheorie, in: Wörterbuch des Völkerrechts, 2. Aufl., begründet von Karl Strupp, herausgegeben von Hans-Juergen Schlochauer, Bd. 3, Walter de Gruyter Berlin 1962, 248-250 [248]).

Später verwies die Sowjetunion bezüglich Franz-Josef-Land noch auf tatsächliche Akte der Inbesitznahme, sodass eine Anhäufung von Umständen und Bricolage juristischer Argumente ihren Anspruch auf Aneignung stützen soll. Die Sektortheorie jedenfalls wurde von der Völkerrechtswissenschaft in ihren Anlehnungen an bestehende, anerkannte Rechtfertigungen diskutiert, fand aber wenig Anklang. Positive Stimmen sind zumeist seitens sowjetischer Autoren zu finden (Leonid L. Breitfuß, Die territoriale Sektoreneinteilung der Arktis im Zusammenhang mit dem zu erwartenden transarktischen Luftverkehr, in: Petermanns geographische Mitteilungen, Heft 1/2, (1928), 74: 23–28). Heute gehört sie ihrerseits in die Völkerrechtsgeschichte.

Sie betreten den sowjetischen Sektor: Die Aufteilung der Arktis sowjetisierte viele der kalten Länder nahe beim Nordpol. Der üppig bemessene Sektor ist mit II am rechten oberen Kartenrand beschriftet. Bild aus: Gustav Smedal, Acquisition of sovereignty over polar areas, 56.

Dies alles konnte aber nicht die Sowjetisierung der Inseln verhindern. Bis heute gehört Franz Josef-Land zu Russland, wird von diesem als Sperrgebiet ausgewiesen und darf prinzipiell nicht betreten werden. Es ist für Reisende dadurch zu einem global-peripheren Sehnsuchtsort geworden. Wie auch in anderen arktischen und antarktischen Regionen wird hier Souveränität dadurch beansprucht, dass man Umweltschutz als abwehrendes Argument verwendet. Wie Rachael Lorna Johnstone in ihrem interessanten Aufsatz argumentiert hat, bedeutet dies eine Umkehrung traditioneller imperialistischer Kategorien der klassischen Kolonialzeit. Anstelle der faktischen Besitzergreifung, Besiedelung und etwa landwirtschaftlichen Nutzung gehört nun gerade der demonstrative Verzicht auf Nutzung unter dem Banner des Naturschutzes zum Handlungsrepertoire, mit dem andere Staaten von der Geltendmachung von Ansprüchen ferngehalten werden.

Die mythische Peripherie der Erde

Der Schriftsteller Ransmayr hat seine Erzählung der Entdeckung des Franz Josef-Lands dazu verwendet, epistemische Verunsicherung zu stiften. Parallel zu der historischen Entdeckungsgeschichte verlaufen in seinem Roman zwei weitere Stränge, darunter eine fiktive Abenteuergeschichte, dessen Protagonist unstillbare Sehnsucht nach dem Norden hat und von Spitzbergen aus der historischen Expedition nacheifern will. Er soll ein Nachkomme eines der Teilnehmer der Expedition von 1872-74 sein. Wir blicken ihm über die Schulter, wie er diese Reise organisiert, und der Autor Ransmayr lenkt unseren Blick auf sein poetisches Verschwinden in den Weiten der erzählten Arktis: „Mir war die Tatsache oft unheimlich, daß sich der Anfang, auch das Ende jeder Geschichte, die man nur lange genug verfolgt, irgendwann in der Weitläufigkeit der Zeit verliert […]“. (SEF, 9). Auch sein erfundener Protagonist geht in den unwirtlichen Eiswüsten verloren. Es ist ein doppelter Whiteout, in welchem der Schnee des Nordens dem weißen Blatt des Erzählers ähnelt und alle sicheren Konturen verschwimmen.

Wir wissen nicht, ob wir dem Erzähler Ransmayr trauen dürfen. Fakten und Fiktionen werden nebeneinander erzählt sie verschmelzen ineinander. „Die Wirklichkeit ist teilbar“, heißt es schon programmatisch am Anfang (SEF, 36): Der Erzähler Ransmayr befeuert absichtsvoll unsere Verunsicherung, ist jedenfalls in dieser Intention transparent und verfolgt dabei ein antikolonialistisches und aufklärungskritisches Projekt. Deutlich gemacht werden die globalen Hegemonieansprüche der Europäer, die damit verbundene Ausbeutung und die Opfer der Kolonialpolitik: „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“ von 1984 kritisiert im Gewand einer Nacherzählung einer der abenteuerlichsten Entdeckergeschichten aller Zeiten zentrale Axiome europäischen Expeditionsstrebens und seiner Expansionsideologie. Der Roman ist eine Zivilisationskritik.

Die Aneignung von Franz-Josef-Land, sei sie mit Eigentumsansprüchen verbunden gewesen oder nicht, ist Teil einer Ausplünderungsgeschichte, die auf Machthunger und Ruhmsucht basierte und sich mit Wissenschaft ausstaffierte und legitimierte. Für die Männer der historischen Expedition ging es gerade noch einmal gut, nur einen Toten gab es zu beklagen. Ins Herz seiner Erzählung stellt der Schriftsteller Ransmayr jedoch eine weitere Zerstörung, von der auch die kritische Völkerrechtsgeschichte noch wenig weiß: die Vereinnahmung und Zerstörung besonderer Orte. Denn Ransmayrs Arktis wird zum mythischen Paradies des Erzählers selbst (SEF 250-252). Im leeren Raum der Arktis verschränken sich poetische Unbestimmtheit und Unverfügbarkeit (Karin Schuchmann 10, 260, 266). Die über das Buch verstreuten Farbfotografien des österreichischen Schriftstellers und Filmemachers Rudi Palla, versehen mit aus dem Buch Hiob entnommenen Bildunterschriften, geben der Erzählung Ransmayrs alttestamentarische Dimension. Sie adressiert zunächst offensichtlich das Verhältnis zur arktischen, elementaren Natur: „Kamst du bis zu den Speichern des Schnees, und sahst du die Kammern des Hagels?“ (SEF 129). „Bist du zu des Meeres Quellen vorgedrungen und in des Ozeans Tiefe einhergewandelt?“ (SEF 137). „Dort ist die Heimat des Saphirs und des Goldstaubes. Aber kein Raubvogel kennt den Weg dorthin und kein Löwe schreitet auf ihm.“ (SEF 141). Sie spiegeln aber auch in ihrer alttestamentarischen Sprache die bodenlos abgründige Dimension dieser Reise: „Taten sich dir die Pforten der Totenwelt auf, schautest du die Tore der Finsternis? Hattest du acht auf die weiten Flächen der Erde?“ (SEF 133). Hier kippt der Abenteuerroman in eine moraltheologische Ansprache vor dem Hintergrund der biblischen Naturgewalten und stellt Fragen, deren Adressat offenbleibt. Auch der Leser kann sie auf sich beziehen.

Am Ende sinniert Ransmayr darüber, wie er als Autor „inmitten seiner papierenen Meere (steht)“, und eine Nostalgie legt sich über seine Chronik: Durch das historische Material hat er sich Fakten und Ästhetik des fernen Landes angeeignet. Dennoch bleibt die eisstarrende Natur für ihn wie uns Leser unerreichbar – und erstrahlt als Sehnsuchtsort umso schöner.

Autor/in
Miloš Vec

Miloš Vec was appointed to a Chair in European Legal and Constitutional History at Vienna University in 2012. From 2016-2020 he was a Permanent Fellow at the Institut für die Wissenschaft vom Menschen (IWM), Vienna. He was also Fellow at the Wissenschaftskolleg (Berlin), Honorary Fellow at Historisches Kolleg (Munich), and Senior Hauser Fellow at NYU. Furthermore, he works as a Free-lance journalist, particularly for Frankfurter Allgemeine Zeitung, and is Editor of the Journal of the History of International Law.

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