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Das EU-Russland Zivilgesellschaftsforum

Die Stimme der Zivilgesellschaft in der internationalen Rechtsdebatte stärken

24.01.2018

Spricht man über die Rolle Russlands in der zeitgenössischen internationalen Rechtsdebatte, so ist es hilfreich, sich nicht nur auf die konkreten Themen und Fragen zu fokussieren, sondern – wie bei allen anderen Debatten auch – sich zunächst zu fragen, auf welchen Ebenen und in welchen Formaten diese Rechtsdebatte stattfindet, welche Akteure daran aktiv teilnehmen bzw. teilnehmen können, und mit welcher Auswirkung. Die Kommunikationswissenschaftler verwenden dafür die Lasswell-Formel: “Who says what in which channel to whom with what effect?“ (Lasswell 1948).

Der EU-Russland Zivilgesellschaftsforum e.V. (EU-Russia Civil Society Forum, CSF) verfolgt mit dem 2015 begonnenen Programm „EU-Russland Rechtsdialog“ (Legal Dialogue, LD) das Ziel, einen Dialog zu Rechtsfragen zwischen der EU und Russland mit aktiver Beteiligung nichtstaatlicher Akteure zu gestalten und dabei die Potentiale der NGOs einerseits einzubringen und andererseits zu stärken.

Es geht darum, praktische Formate zu entwickeln und anzubieten, die einerseits zivilgesellschaftlichen Akteuren Möglichkeiten bieten, sich öffentlich oder im geschützten Raum über aktuelle Rechtsfragen und –praktiken in Russland und der EU auszutauschen, und andererseits mit gemeinsamen Anliegen das Fachpublikum, die Politik und die Öffentlichkeit zu erreichen.

Das CSF-Netzwerk vereint aktuell 161 NGOs und Bewegungen unterschiedlicher thematischer Ausrichtung aus Russland und 20 EU-Ländern. Der Kreis der aktiven TeilnehmerInnen und Partner des LD-Programms reicht jedoch viel breiter. Dazu gehören auch die von Prof. Lauri Mälksoo erwähnten erfolgreichen russischen Menschenrechtsrechtsanwälte (s. Strasbourg’s Effect on Russia – and Russia’s Effect on Strasbourg) oder beispielsweise Law Clinics in Russland, Deutschland und anderen EU-Ländern.

So vielseitig wie die TeilnehmerInnen ist auch die thematische Ausrichtung des LD-Programms. Wichtige Bestandteile sind Debatten über grundsätzliche rechtliche Bedingungen für zivilgesellschaftliche Arbeit, Vermittlung und Sicherung von Werten wie die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatsprinzipien, Gewaltenteilung, Verantwortlichkeit der Regierung, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Unabhängigkeit der Gerichte u.v.m.

Ein Spiegel dieser thematischen Vielfalt ist das online Portal www.legal-dialogue.org (Legal Dialogue Journal, LDJ) – eine interaktive Plattform für den Austausch aktueller und thematisch relevanter Informationen für NGOs, ihre Netzwerke, weitere Fachleute und die Öffentlichkeit in Russland und der EU. Hier finden sich analytische Artikel, praktische Berichte und weiterführende Links zu Themen wie NGO-Gesetzgebung, Migrationsrecht, Informationsfreiheit, Geschlechtergleichheit, Umweltrecht, Arbeitsrecht, Formen von Rechtshilfe u.v.m. Für alle LDJ-Interessierten gibt es auch die Möglichkeit Fragen an KollegInnen und das internationale Fachpublikum vorzuschlagen. So folgten beispielsweise auf die Frage eines deutschen Experten nach existierenden Gesundheitsvorschriften für AsylbewerberInnen Berichte aus Russland, Italien, Polen und Rumänien. Dieses interaktive Element soll in Zukunft noch mehr gestärkt werden. Das Portal ist in nur einem Jahr beachtlich gewachsen und befindet sich in aktiver Weiterentwicklung. Das LDJ ist bemüht, die vielfältigen Facetten der nationalen und internationalen Rechtsdebatten abzubilden und mitzugestalten. Vorschläge von Themen und Formaten sind immer sehr willkommen!

Auf der LDJ-Seite befindet sich ebenfalls ein Kalender mit anstehenden internationalen Konferenzen, Seminaren, Sommerschulen und ähnlichen Veranstaltungen in Russland und den EU-Ländern. Direkt daran geknüpft ist die Möglichkeit sich auf CSF Reisestipendien zu bewerben (die Ausschreibungen werden gesondert angekündigt) – sowohl für den Besuch von Fachveranstaltungen als auch zur Einladung von internationalen ExpertInnen zu eigenen Veranstaltungen (nur aus Russland in die EU und umgekehrt). Ziel ist die Förderung von weiterer Vernetzung und Erfahrungsaustausch, Stärkung der Stimme der Zivilgesellschaft in Fachdiskussionen und somit ein aktiver Beitrag zur Intensivierung des Rechtsdialoges zwischen Russland und der EU auf zivilgesellschaftlicher Ebene. Gemachte Erfahrungen und Beobachtungen, beispielsweise bei der 41. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees in Krakau (2017) werden ebenfalls im LDJ veröffentlicht.

Ein weiteres etabliertes LD-Arbeitsformat sind die jährlichen internationalen LD Symposien in Berlin. NGO-ExpertInnen, praktizierende Rechtsanwälte und NachwuchsjuristInnen diskutieren unter sich oder mit VertreterInnen von Ministerien, Medien oder Think Tanks über aktuelle Gesetzgebungstrends in Russland und der EU und die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Gestaltung von Rechtsstaatlichkeit. Die Bestimmung des Leitthemas richtet sich nach aktuellen Trends und Diskussionsbedarf des stetig wachsenden LD-Netzwerks: Domestic Law in a Global Upswing? The Strained Relationship between International and Domestic Law (2016), Threat Perceptions – Drivers for Policy Change in Russia and the EU? (2017). Fragestellungen aus LDJ-Publikationen, Themenvorschläge von StipendiatInnen oder KollegInnen aus dem breiten CSF-Netzwerk werden bei der Programmgestaltung (runde Tische, Workshops, Arbeitsgruppen, Brainstormings, Arbeit an Konzeptpapieren, Open Space, etc.) berücksichtigt. Die Diskussionsergebnisse werden in Form von Videos und LDJ-Artikeln verarbeitet und präsentiert.

Eine besondere Zielgruppe bilden für das LD Programm NachwuchsjuristInnen, die insbesondere in Russland oftmals keine direkten Erfahrungen mit zivilgesellschaftlichen Themen und Arbeitsformen haben. Im Rahmen des gewählten Leitthemas „Migrationsrecht“ veranstaltete das LD im Rahmen der internationalen Sommerschule „Future Lawyers: Essential Skills to Success“ der Baltischen Föderalen Immanuel-Kant-Universität in Kaliningrad eine Reihe von theoretischen und praktischen Veranstaltungen und begleitete aktiv die intensive Diskussion über mögliche Etablierung von Refugee Law Clinics nach europäischen Modell in Russland (Durchführung einer allrussischen Law Clinics Umfrage zu Potenzialen der Zusammenarbeit mit Flüchtlingen und Migranten, Organisation von Workshops in Moskau u.a.).

Legal Dialogue ist ein sehr offenes und flexibles Programm, ausgerichtet auf die weitere Stärkung bestehender und die Entwicklung neuer internationaler RechtsexpertInnen-Netzwerke zur Diskussion von zivilgesellschaftlich relevanten Themen. Die Effektivität der Involvierung Russlands in den internationalen Rechtsdialog hängt in einem hohen Maße von dem aktiven Einbezug der Zivilgesellschaft ab. Das EU-Russia Civil Society Forum freut sich über neue Formatvorschläge und Kooperationsideen!

 

Polina Baigarova koordiniert seit 2015 das Legal Dialogue Programm des EU-Russia Civil Society Forums.

 

Cite as: Polina Baigarova, “Das EU-Russland Zivilgesellschaftsforum: Die Stimme der Zivilgesellschaft in der internationalen Rechtsdebatte stärken”, Völkerrechtsblog, 24 January 2018, doi: 10.17176/20180124-105400.

Autor/in
Polina Baigarova
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