Völkerrecht im Fokus der Arbeit einer studentischen Redaktion
Das Goettingen Journal of International Law (GoJIL) sieht sich nicht nur als wissenschaftliches Journal, sondern auch als studentische Initiative mit dem Ziel, Studierenden das Völkerrecht und das wissenschaftliche Publizieren näherzubringen. Am Beispiel des GoJIL möchte ich im Folgenden aufzeigen, wie studentische Law Journals einen Beitrag zur juristischen Ausbildung leisten können.
Das GoJIL, eine studentische Initiative, greift bei der Vorstellung für neue Studierende auch gerne auf Barack Obama zurück. Wenn sein Bild auf der Powerpoint-Folie auftaucht, hat das jedoch zunächst nichts damit zu tun, dass er der 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist. Denn Obama war während seines Studiums auch Chefredakteur der bekannten Harvard Law Review. Anders als in den USA, wo Redaktionsmitglieder oft einen langen, selektiven Auswahlprozess durchlaufen, müssen wir, die Redaktion des GoJIL, interessierten Studierenden zuallererst erklären, dass wir unsere Artikel gar nicht selber schreiben. Viele können sich anfangs nicht vorstellen, dass uns Wissenschaftler*innen aus aller Welt ihre Artikel zur Veröffentlichung schicken.
Das Goettingen Journal of International Law ist ein online erscheinendes Rechtsjournal zum Völkerrecht. 2007 von Studierenden der Georg-August-Universität Göttingen gegründet, ist das GoJIL deutschlandweit das erste studentisch geführte Journal zum internationalen Recht, welches ausschließlich in englischer Sprache publiziert.
Zwei Aspekte, die das GoJIL auszeichnen, sind zum einen der double-blind peer review-Prozess, was bedeutet, dass jeder Artikel, der ein erstes kurzes Review durch die Redaktion besteht, von zwei Gutachtern unabhängig voneinander bewertet wird, ohne dass diese die Identität des Autors des Textes kennen. Auf Grundlage der zwei Gutachten entscheidet die Redaktion im Anschluss über eine Ablehnung oder Annahme eines Artikels. Weiterhin erscheint das GoJIL open access. Die Ausgaben sind kostenlos und frei zugänglich auf unserer Website www.gojil.eu verfügbar. Das GoJIL ist zudem in den Datenbanken HeinOnline und EBSCO zu finden.
Finanziell unterstützt wird das GoJIL durch Mittel der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen, welche laufende Kosten wie die Pflege der Website decken. Ansonsten beruht das GoJIL vollständig auf der ehrenamtlichen Mitarbeit von Studierenden und den Mitgliedern der Beiräte.
Der Aufbau des Journals
Das GoJIL besteht im Wesentlichen aus drei Gremien: dem Editorial Board, dem Advisory Board und dem Scientific Advisory Board. Das Advisory Board setzt sich aus Wissenschaftler*innen und praktizierenden Völkerrechtler*innen zusammen, die das GoJIL mit ihrer Expertise auf dem Gebiet des Völkerrechts in Fragen der Ausrichtung des Journals beraten. Zu den renommierten Mitgliedern zählen z.B. die ehemaligen IGH-Richter Thomas Buergenthal und Bruno Simma. Dem Scientific Advisory Board gehören jüngere Wissenschaftler*innen an. Sie erstellen die wichtigen Gutachten für den double-blind peer review-Prozess und leisten der studentischen Redaktion inhaltliche Unterstützung. In sprachlicher Hinsicht werden Artikel von Muttersprachler*innen mit juristischem Hintergrund korrigiert, welche das Native Speaker Board bilden.
Das Editorial Board steht als eigentliche Redaktion im Zentrum des Journals. Es besteht aus Studierenden der Rechtswissenschaften und Politikwissenschaften. Diese koordinieren die Veröffentlichung von Ausgaben und übernehmen alltägliche Redaktionsarbeiten, welche im Wesentlichen die Vorstellung von Artikeln, die Editierung und das Lektorat umfassen.
Was bringt das GoJIL den Studierenden?
Die Studierenden setzen sich in verschiedenen Phasen des Redaktionsprozesses inhaltlich mit den eingegangenen Artikeln auseinander, von der ersten Vorstellung über die Besprechung des Artikels auf Grundlage der Gutachten, bis zur Zusammenarbeit mit den Autoren auf dem Weg zur Veröffentlichung.
Da über die Annahme oder Ablehnung eines (Groß-)teils der Artikel erst aufgrund der Gutachten aus dem double-blind peer review-Prozess entschieden wird, erhält die Redaktion zudem unmittelbar die Einschätzung und Rückmeldung von Expert*innen zu dem jeweiligen Thema. Diese hilft den Studierenden bei der eigenen Bewertung von Artikeln und gibt weiterhin Hinweise zu der wissenschaftlichen Relevanz des Artikels.
Die Mitarbeit in der Redaktion gibt Studierenden eine Perspektive auf das Völkerrecht, die stärker problembezogen sein mag als eine klassische Vorlesung, in welcher die Grundlagen des Völkerrechts in seiner Breite gelernt werden können. Studentische Law Journals sind daher kein Ersatz für Vorlesungen, können aber eine sinnvolle und bereichernde Ergänzung sein und überhaupt zur Entscheidung motivieren, den Schwerpunktbereich Internationales Recht zu wählen.
Darüber hinaus arbeiten in der Redaktion Studierende verschiedener Fachsemester zusammen und lernen auch voneinander. Es ist in einer solchen Gruppe leichter, Fragen zu stellen und sich etwas noch einmal erklären zu lassen; gleichzeitig ist auch das Erklären und Diskutieren von völkerrechtlichen Aspekten eine gute Übung für fortgeschrittene Studierende.
Fachkonferenzen, Vorträge und wissenschaftliches Arbeiten
Über die Konzeption von Schwerpunktausgaben und die Entscheidung für themenspezifische Call for Papers setzen sich die Redakteur*innen aktiv mit aktuellen Diskussionen im Völkerrecht auseinander. Diese eigenverantwortliche Arbeitsweise unterscheidet sich maßgeblich von der rezipierenden Herangehensweise an Stoff in der klassischen juristischen Ausbildung.
Regelmäßig lädt die Redaktion zu Fachkonferenzen und Vorträgen ein. Vergangene, von GoJIL mitorganisierte Konferenzen waren beispielsweise „Strategies for Solving Global Crises – The Financial Crisis and Beyond“, „Resources of Conflicts – Conflicts over Resources“ oder „Precursors to International Constitutionalism“. Im Dezember 2015 organisierte das Journal in Göttingen einen Gastvortrag des Berichterstatters der UN Völkerrechtskommission für ius cogens, Professor Dire Tladi. Redaktionsmitglieder kommen so direkt in Kontakt mit Völkerrechtler*innen und können Diskussionen mitgestalten.
Das GoJIL sieht sich einem hohen Qualitätsstandard verpflichtet, was sich unter anderem in Zitierungen von GoJIL-Beiträgen in anderen Law Journals (z.B. im Harvard International Law Journal, Yale Journal of International Law, Columbia Journal of Transnational Law, European Journal of International Law, American Journal of International Law) widerspiegelt. Durch die sorgfältige und aufmerksame Arbeit an den Artikeln im Editierungsprozess schulen die Studierenden auch Fähigkeiten, die bei Haus- und Seminararbeiten hilfreich sind. Weiterhin bietet die Mitarbeit in der Redaktion die Möglichkeit, die fachspezifischen Englischkenntnisse auszubauen.
Die Nachwuchsarbeit bleibt trotz des großen Erfahrungsschatzes in der Redaktion eine Herausforderung. Es gilt, die Vorteile der Mitarbeit am Projekt aufzuzeigen und gleichzeitig deutlich zu machen, dass sich Studierende auch mit eigenen Ideen einbringen können.
So gewinnt das GoJIL nicht nur Völkerrechtsinteressierte, sondern auch Studierende, die zunächst primär an der Redaktionsarbeit interessiert sind. Nicht selten hat die Redaktionsarbeit in diesen Fällen aber doch das Interesse am Völkerrecht wecken können. In Göttingen nimmt das GoJIL inzwischen einen festen Platz bei der Ausbildung von Studierenden ein. Die nächste Ausgabe des GoJIL erscheint im Frühjahr diesen Jahres.
Franziska Berg ist Mitglied der Chefredaktion des Goettingen Journal of International Law. Die Autorin dankt den Redakteur*innen des GoJIL für Ideen und Anregungen zu diesem Beitrag.
Cite as: Franziska Berg, “Völkerrecht im Fokus der Arbeit einer studentischen Redaktion”, Völkerrechtsblog, 14 March 2016, doi: 10.17176/20171130-094343.