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Nachruf Knut Ipsen

05.04.2022

Professor Dr. Dr. h.c. mult. Knut Ipsen ist am 17. März 2022 im Alter von 86 Jahren gestorben. Als „wissenschaftlicher und hochschulpolitischer Macher“ hatte er eine beispiellose Karriere, die ganz im Zeichen der Friedenssicherung und vor allem des humanitären Völkerrechts stand.

Knut Ipsen wurde 1935 in Hamburg geboren. Seine nordische Herkunft betonte er stets – er war im besten Sinne ein echter und stolzer Hanseat. Nach dem dreijährigen Wehrdienst, seinem Jurastudium und juristischem Vorbereitungsdienst wurde er 1967 in Kiel promoviert. Der dortigen Christian Albrechts Universität und dem dortigen Institut für Internationales Recht, das 1995 in Walther Schücking Institut umbenannt wurde, blieb er stets verbunden. Anschließend habilitierte er sich 1972 mit einer Arbeit zum Thema „Biologische und chemische Kampfmittel im Völkerrecht“. Nach einer Lehrstuhlvertretung in Kiel wurde er 1974 auf einen Lehrstuhl an die Ruhr-Universität Bochum berufen, die er in der Folgezeit wie kaum ein anderer prägte. Er hatte mehr als zwei Jahrzehnte den Lehrstuhl für Öffentliches Recht (Völkerrecht) inne, gründete das Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht (IFHV), dessen Geschäftsführender Direktor der Autor dieses Nachrufes nun ist, und leitete dazu zehn Jahre lang als Rektor die Geschicke der RUB – länger als jeder andere Rektor vor und nach ihm.

Dabei ist nicht nur sein hochschulpolitischer Verdienst bemerkenswert. Insbesondere sein Wirken im Bereich des (humanitären) Völkerrechts sucht seines gleichen. Zu seinen akademischen Schülern gehören neben Prof. Dr. Volker Epping (Rektor der Universität Hannover), Professor Dr. Wolff Heintschel von Heinegg (Viadrina Universität Frankfurt/Oder) und Prof. Dr. Hans-Joachim Heintze (Ruhr-Universität Bochum) auch international anerkannte PraktikerInnen des humanitären Völkerrechts wie Dr. Heike Spieker (Deutsches Rotes Kreuz), Dr. Sascha Lüder (DRK Nordrhein-Westfalen) oder Dr. Knut Doermann (IKRK). „Sein“ Lehrbuch zum Völkerrecht, das 1962 von Eberhard Menzel begründet wurde und seit der 2. Auflage (auch) seinen Namen trägt, gilt mittlerweile nicht nur als absolutes Standardwerk, sondern steht stellvertretend für seine breite völkerrechtliche Expertise, die er in zahlreichen Veröffentlichungen unter Beweis stellte. Diese Expertise war auch gefragt, als er als Mitglied der deutschen Delegation die Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen aushandelte und anschließend als Bundeskonventionsbeauftragter und sodann Präsident des Deutschen Roten Kreuzes fungierte. Bei seiner Arbeit als Direktor des IFHV lag ihm neben der interdisziplinären Ausrichtung stets die praktische Bedeutung der Forschung am Herzen, wie z.B. bei der Mitwirkung des Instituts an der Gewohnheitsrechtsstudie des IKRK. Auf seine Arbeit blickte Professor Ipsen anlässlich der 30-Jahr-Feier des IFHV 2019 – durchaus und zurecht stolz – zurück, als er in einem Vortrag die Gründung des IFHV sowie die drei Jahrzehnte seines Wirkens reflektierte. Mehrfach hob er dabei die Bedeutung der interdisziplinären Forschung sowie der Bedeutung der Arbeit des IFHV für die völkerrechtliche und politische Praxis hervor. Seine abschließende Analyse, die heutige internationale Sicherheitspolitik sei kritikwürdig, verbunden mit dem Appell, die Völkerrechtswissenschaft werde auch zukünftig Beiträge zur Friedenssicherung leisten müssen, hat sich schon oft bewahrheitet.

Professor Ipsens internationales Renommee als einer der herausragenden deutschen Völkerrechtler seiner Generation offenbart auch durch seine langjährige Tätigkeit als Richter am Ständigen Schiedsgerichtshof sowie die Verleihung mehrerer Ehrendoktorwürden, u.a. der Universitäten Krakau, Sheffield und Frankfurt/Oder. Zu letztgenannter Universität hatte Professor Ipsen eine besondere Beziehung, denn er war ab 1992 als Gründungsrektor ganz maßgeblich an ihrem Aufbau beteiligt. Die Verbindungen nach Polen, aber auch nach Frankreich, waren ihm stets eine Herzensangelegenheit.

Die Aufzählung all dieser Verdienste rund um das humanitäre Völkerrecht, die Rechtswissenschaft und die Hochschulpolitik bezeugen das außergewöhnliche Talent und Engagement von Professor Ipsen. Auch wenn dieser Nachruf nicht annähernd ausführlich genug ist, um all seinen Verdiensten gerecht zu werden, so kann er doch hoffentlich ein Gefühl dafür vermitteln, was Knut Ipsen als Professor ausgezeichnet hat: sein unermüdlicher Einsatz für die Wissenschaft, seine Qualität als Brückenbauer und Führungsfigur, und seine unumstrittene Expertise im humanitären Völkerrecht, die wohl kein zweiter in dieser Form für  sich in Anspruch nehmen kann.

Das IFHV und die RUB werden nicht nur diese wissenschaftlichen, sondern auch seine menschlichen Qualitäten in Erinnerung behalten. Sein Einsatz und seine Hilfsbereitschaft, seine offene Art und seine nie endende Wissbegierigkeit bleiben unvergessen. Professor Ipsen hatte auch immer ein offenes Ohr für die Ideen (jüngerer) Wissenschaftler:innen – so stand er etwa den erfolgreichen Bochumer Jessup Moot Court Teams jedes Jahr mit Rat und Tat zur Seite. Er bereicherte bis zuletzt akademische Konferenzen, insbesondere an seinen beiden almae matres in Kiel und Bochum, mit klugen und wichtigen Diskussionsbeiträgen – zu nahezu sämtlichen Fragen des Völkerrechts.

Das Völkerrecht hat einen seiner größten Verfechter verloren, das IFHV seinen Gründungsdirektor, die Ruhr-Universität Bochum ihren Altrektor. Wir alle werden ihn als freundschaftlichen Ratgeber schmerzlich vermissen. Die Disziplin, der er sein Leben und Wirken verschrieben und die er so entscheidend mitgeprägt hat – also das Recht der Friedesssicherung und des bewaffneten Konflikts – ist im Jahr 2022 wichtiger und aktueller denn je.

Autor/in
Pierre Thielbörger

Pierre Thielbörger is a professor of German Public Law and Public International Law as well as Executive Director of the Institute for International Law of Peace and Armed Conflict (IFHV), both at Ruhr University Bochum. He serves as co-convener of the Interest Group on Human Rights within the European Society of International Law (ESIL), acts as President of the General Assembly of the Network on Humanitarian Action (NOHA) and is Adjunct Professor at the Hertie School in Berlin.

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