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Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr?

Zur Völkerrechtmäßigkeit bewaffneter Drohneneinsätze

11.06.2020

Die Bundeswehr setzt inzwischen regelmäßig Drohnen im Ausland ein. Ihr Arsenal umfasst eine Vielzahl von Modellen (darunter die Aufklärungsdrohne Heron 1 in Mali). Die bislang eingesetzten Drohnen dienen allerdings allein der Aufklärung und so dem Schutz der Soldatinnen und Soldaten. Eine Debatte ist nun erneut darüber entbrannt, ob und inwiefern die Bundeswehr Drohnentechnologie erwerben und später einsetzen darf, die mit abschussbereiten Waffen an Bord ausgestattet ist und Angriffe fliegen kann. Konkret diskutiert wird über das Modell Heron TP – eine Weiterentwicklung der Heron 1 , das von Israel Aerospace Industries (IAI) produziert wird. Sie ist größer als das Vorgängermodell, übersteht längere Flugzeiten und kann im Falle eines Angriffsfluges Luft-Boden-Raketen abfeuern. Insgesamt soll der Leasingerwerb der Heron TP als Übergangslösung bis zur Fertigstellung der Eurodrohne von Airbus dienen. Laut Bundesregierung sollen bewaffnungsfähige Drohnen für die Bundeswehr künftig Standard sein (von der Leyen 2015). Kritiker dieser Drohnen sehen sie hingegen eindeutig als „Werkzeuge für den Völkerrechtsbruch“. Unabhängig von ethischen Aspekten eines Einsatzes stellt sich primär die Frage nach der völkerrechtlichen Legalität. Ist ein Drohnenangriff durch die Bundeswehr im Rahmen der aktuellen Einsatzgebiete völkerrechtskonform möglich?

Zunächst handelt es sich bei der Heron TP nicht um ein autonomes Waffensystem (zur völkerrechtlichen Zulässigkeit vgl. Koloßa, in: HuV 3-4/2018, S. 195-208). Die Drohne wird von einem menschlichen Piloten ferngesteuert. Ein Abschuss von Raketen erfolgt nicht durch eine programmbasierte Computerentscheidung, sondern durch (mehrere) Soldaten nach ausführlicher, individueller Einschätzung der konkreten Situation. Insofern stellt sich bei derartigen Drohnen die Frage nach der Vereinbarkeit von autonomen Waffen mit humanitärem Völkerrecht und Menschenrechten nicht (vgl. VN-Studie, S. 47 f.).

Generell sieht weder das Friedenssicherungsrecht noch das humanitäre Völkerrecht ein generelles Verbot Drohnen zu verwenden vor. Art. 2(4) VN-Charta verbietet eine Gewaltanwendung gegen die territoriale Unversehrtheit eines Staates. Dabei verbietet das Gewaltverbot keine konkrete Waffe, sondern stellt auf den Zweck der Gewaltanwendung ab. Ein Verstoß hiergegen liegt jedoch insbesondere dann nicht vor, wenn der Einsatz von einer entsprechenden Resolution nach Kapitel VII der VN-Charta gedeckt ist. Ein Grundpfeiler des humanitären Völkerrechts ist das Unterscheidungsgebot, das ebenfalls im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt gilt (vgl. Art. 13 Abs. 1 ZP II; Customary International Humanitarian Law, Regel 7). Es beinhaltet im Rahmen des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts, dass Zivilisten ebenso wie andere geschützte Personen und Objekte so weit wie möglich verschont werden müssen. Ebenfalls gilt das Prinzip der militärischen Notwendigkeit, das etwa eine Zerstörung von Ausrüstung des Gegners verbietet, wenn der Konflikt dies nicht unbedingt erfordert (Customary International Humanitarian Law, Regel 37). Letztlich muss ein bewaffneter Angriff auch nicht unverhältnismäßig sein (Customary International Humanitarian Law, Regel 14, vgl. auch Art. 51 Abs. 5 lit. b ZP I). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung wie im deutschen Recht, sondern der Schaden darf schlicht nicht völlig außer Verhältnis zum militärischen Vorteil sein. Unter Beachtung dieser Regeln spricht völkerrechtlich nichts gegen einen Einsatz bewaffneter Drohnen. Die in der Vergangenheit häufig rechtswidrig erfolgten Drohneneinsätze (wie etwa die gezielten Tötungen in Pakistan) dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Technologie auch rechtmäßig genutzt werden kann. Ein häufiges Problem lag im Verstoß gegen das Gewaltverbot mangels Rechtfertigungsgrund für einen Angriff. Ist aber ein Rechtfertigungsgrund wie eine entsprechende Einwilligung des betroffenen Staates vorhanden, so ist ein Verstoß gegen Art. 2(4) VN-Charta ausgeschlossen. Auch die Einhaltung der einschlägigen Regeln des humanitären Völkerrechts im konkreten Einzelfall ist häufig schwierig, etwa aufgrund von örtlichen Gegebenheiten oder Schwierigkeiten bei der Bestimmung individueller Personen. Hierbei kann der Einsatz von Drohnen aber gerade Vorteile bieten. Grundsätzlich sind Drohnen reaktionsschneller, ausdauernder und präziser (vgl. VN-Studie, S. 37 ff.). Die technischen Vorrichtungen dienen daher eher der Einhaltung der Regeln und erlauben eine Verringerung von Kollateralschäden.

Das potentielle Praxisbeispiel Malis (Livechat, Frage 47) mag einen legalen Einsatz von Drohnenangriffen illustrieren. Mali ist eines der derzeitigen Einsatzgebiete im Rahmen der MINUSMA-Mission. Seit 2012 dominieren in der Region erbitterte (nicht-internationale) bewaffnete Konflikte mit dschihadistischen Terror-Gruppen. Die zunächst vom Sicherheitsrat nach Kapitel VII der VN-Charta verabschiedete Resolution 2100 legte den Grundstein für die seitdem erfolgenden internationalen bewaffneten Einsätze zugunsten der malischen Regierung. Zuletzt wurde die Mission bis zum 30. Juni 2020 durch Resolution 2480 verlängert, abermals mit Aussicht auf eine erneute Verlängerung. In diesem Einsatz mitunter schwierig zu beurteilen und zu individualisieren, sind die erlaubten Ziele, namentlich die Kämpfer und diejenigen Personen, die unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen. Wesentliche Unsicherheiten im Kontext einer solchen Teilnahme z.B. in zeitlicher Hinsicht resultieren allerdings aus Rechtsfragen, die mit dem Einsatz bewaffneter Drohnen nichts zu tun haben. Letztlich ermöglicht die Technik also ein präzises Vorgehen gegen legitime Zielpersonen. Dabei gilt, dass in solchen Situationen, in denen eine hinreichende Zielindividualisierung und der Schutz von Zivilisten nicht mit der genügenden Sicherheit ausgeschlossen werden kann, im konkreten Fall ein Angriff nicht erfolgen darf.

Das in diesem Zusammenhang viel zitierte – und sehr lesenswerte – Urteil des OVG Münster vom 19. März 2019 spricht auch nicht gegen einen Drohneneinsatz. Die zugrunde liegende Fallfrage betraf die Verantwortlichkeit Deutschlands für die seitens der USA von der Basis in Rammstein aus durchgeführten Drohnenangriffe im Jemen, welche das Gericht letztlich bejahte. Drohnenangriffe an sich hat es aber nicht für mit dem Völkerrecht unvereinbar erklärt; es halt lediglich Zweifel an der Konformität der amerikanischen Angriffe im Lichte des humanitären Völkerrechts geäußert.

Die für eine weitsichtige, umfassende parlamentarische Entscheidung erforderliche grundsätzliche Diskussion über den Einsatz bewaffneter Drohnen, deren Durchführung bereits im Koalitionsvertrag (Z. 7557 ff.) vorgesehen ist, ist daher maßgeblich in ethischer und (haushalts-)politischer Hinsicht zu führen. Das Völkerrecht regelt den Einsatz bewaffneter Drohnen zwar, verbietet ihn aber nicht (zusammenfassend vgl. Heyns, Akande u.a.). Die Heron TP ist daher kein per se völkerrechtswidriges Werkzeug. Weder die Beschaffung noch die Verwendung im Rahmen der aktuellen Einsatzgebiete der Bundeswehr ist an sich völkerrechtswidrig. Vielmehr zeigen die kürzlich durchgeführten Expertenrunden im Verteidigungsministerium auf, wie man mit der Thematik verantwortungsvoll und reflektiert umgehen kann, um zukünftig einen völkerrechtsgemäßen Einsatz sicherzustellen. Die negativen Erfahrungen mit Einsätzen von Drohnen in der Vergangenheit sollten dabei eine besondere Lehre sein.

 

Stephan Koloßa ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht der Ruhr-Universität Bochum.

 

Dieser Post erscheint als Teil einer Zusammenarbeit zwischen dem IFHV und dem Völkerrechtsblog.

 

Cite as: Stephan Koloßa, “Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr? – Zur Völkerrechtmäßigkeit bewaffneter Drohneneinsätze”, Völkerrechtsblog, 11. Juni 2020, doi: 10.17176/20200611-133358-0.

Author
Stephan Koloßa

Stephan Koloßa is a PhD Candidate at Ruhr University Bochum’s Institute for International Law of Peace and Armed Conflict (IFHV).

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